Ein häufiger Glaubenssatz ist, dass Hunde aus dem Tierschutz einfach nur dankbar sind oder sein müssen, denn wir retten sie und geben ihnen ein schöneres Leben. Die Realität sieht allerdings oft anders aus. Die Hunde werden aus der ihnen bekannten (wenn auch nicht schönen) Umgebung gerissen, haben einen langen und anstrengenden Transport hinter sich und kommen in einer für sie neuen Welt an. Alles sieht anders aus, alles riecht fremd und sie schauen in die erwartungsvollen Augen ihrer neuen Besitzer. Diese kennen sie zwar noch nicht und hatten somit auch noch keine Chance Vertrauen aufzubauen, aber es sind ihre neuen Besitzer und damit wird oft die Erwartung verknüpft, dass einen der Hund direkt mit Liebe und Dankbarkeit überschüttet.
Dabei ist es WICHTIG zu sagen, dass es nicht darum geht, einen Hund in eine der 5 Typen einzusortieren, sondern viele Hunde sind eine Mischung aus mehreren Typen oder haben unterschiedliche Tendenzen. Es ist außerdem nicht vorherzusagen welcher Typ Hund es ist, den man sich ausgesucht hat. Ein Hund aus dem Auslandstierschutz ist und bleibt ein Überraschungspaket. Oftmals dauert es 6-12 Monate in welchen man teilweise zufällig auf Verhaltensweisen stößt, die einem so noch nicht bekannt waren.
Getreu dem Motto „Mein Haus, mein Garten, mein Leben“ gibt es Hunde, die steigen aus ihrer Transportbox aus und verhalten sich, als wären sie schon immer hier gewesen. Sie erobern ihre neue Umgebung innerhalb weniger Stunden und Tage und laufen ganz selbstverständlich durch ihr neues Leben. Das bedeutet nicht, dass der selbstverständliche Hund keine Erziehung benötigt, aber er bringt ein ordentliches Maß an Anpassungsfähigkeit und innere Ruhe mit.
Viele Hunde aus dem Auslandstierschutz sind erst einmal etwas vorsichtiger. Diese Hunde haben eine ganz charmante und zarte Art und bringen den neuen Besitzer meistens sehr viel über ihr eigenes Verhalten bei. Denn wenn man zu forsch auf sie zugeht oder zu viel erwartet, dann wird es einem sehr schnell gespiegelt. Unsichere Hunde reagieren dann häufig mit Meideverhalten, knurren oder bellen. Eine ganz normale Ausdrucksweise für „das macht mir gerade Angst oder verwirrt mich“. Oftmals kommt es auch zu ambivalenten Verhaltensweisen – beispielsweise wird in der Wohnung selbstbewusst und ausgelassen gespielt, außerhalb werden fremde Hunde unsicher angebellt.
Knuddeln und gestreichelt werden ist das größte Hobby der Überschwänglichen. Sie springen in ihr neues Leben und überschütten jeden mit ihrer Anwesenheit. Sie möchten gerne alles miterleben, überall dabei sein und drehen dabei manchmal ganz schön auf. Nichts ist schöner, als die gute Laune eines überschwänglichen Hundes zu spüren, aber man muss ihnen dafür beibringen, was Ruhe und Entspannung ist. Überschwängliche Hunde neigen dazu zu körperlich zu werden und aufgeregt zu sein, gute Entspannungsübungen sind hier der goldene Weg.
Sehr traumatisierte und ängstliche Hunde werden meist direkt in ihrer Transportbox in ihr neues Leben gebracht. Dort angekommen möchten sie den Schutz ihrer Box noch für einige Zeit behalten und beobachten aus ihrem sicheren Versteck, was in der neuen Umgebung passiert. Oftmals kennen es die Ängstlichen nicht, dass man ihnen ein Geschirr anziehen und eine Leine anlegen möchte. Sie möchten sich Anfangs weder anfassen lassen noch die Wohnung verlassen. Ängstliche Hunde sind eine große Aufgabe und benötigen ein außerordentliches Maß an Empathie, Verständnis, Geduld und Zeit. Dafür hat es etwas unglaublich magisches ihnen bei ihrer Entwicklung zuzusehen und zu beobachten wie sie sich in kleinen Schritten zu einem neuen Hund entwickeln, aufblühen und irgendwann mit erhobenem Kopf durch das Leben gehen.
Hunde aus dem Auslandstierschutz haben ein großes Paket voller Vorerfahrungen dabei und bringen oftmals nicht nur Gutes mit Menschen in Verbindung. Diese Hunde kommen mit einer gewissen Skepsis in ihrem neuen Leben an und müssen erst einmal mit viel Liebe und Verständnis davon überzeugt werden, dass sie ein wundervolles neues Leben haben werden. Das Vertrauen dieser Hunde muss man sich erarbeiten und oftmals werden Fremde noch über eine lange Zeit sehr misstrauisch und skeptisch beäugt. Man merkt diesen Hunden an, dass negative Vorerfahrungen ihr aktuelles Verhalten beeinflussen, auch wenn sie sich nun in einer neuen Umgebung befinden.
Ganz unabhängig davon welche Ausprägungen Ihr neuer Hund mitbringt oder mitbringen wird, jeder einzelne ist für sich liebenswert und genau richtig so wie er ist. An vielen Verhaltensweisen kann man über ein gut abgestimmtes Hundetraining sehr erfolgreich arbeiten, aber die Grundtendenz eines Hundes wird wahrscheinlich immer bleiben.
Wichtig ist, dass Sie immer positiv mit Ihrem Hund arbeiten. Niemals mit Druck, Zwang oder zu hohen Erwartungen. Ihr Hund wird es Ihnen Danken und mit einer großen Portion Vertrauen und Liebe zurück geben.